Danke sagen – aber wie und wem?

«Dankbarkeit», «Geschenk» und «zweiter Geburtstag» – das sind Begriffe, die meistens in den ersten Minuten fallen, wenn eine transplantierte Person ihre Geschichte erzählt. Die Verbindung zu ihrer Organspenderin oder ihrem Organspender trägt die Empfängerin oder der Empfänger mit sich, als stille Begleitung und oft als Impuls, dem Leben nun doppelt bewusst zu begegnen.

Häufig verspüren Organempfängerinnen und Organempfänger den Wunsch, ihrer Organspenderin oder ihrem Organspender beziehungs­weise deren noch lebenden Angehörigen ihren Dank auszusprechen. Doch wie soll das gehen? Denn es gilt die Regel, dass die bei­den Parteien sich nicht kennen dürfen. Via Swiss­transplant ist es möglich, anonymisierte Dankes­briefe zu versenden.

Ein grosser Schritt

Einen Dankesbrief zu verfassen ist häufig ein grosser Schritt, der mit tiefen Gefühlen verbunden ist. Es mag schwierig erscheinen, seine Dankbarkeit in Worte zu fassen. Rückmeldungen von Trauerfamilien bestätigen jedoch, dass ein Dankesbrief sehr geschätzt wird. Oft tröstet es sie, zu erfahren, dass sie mit ihrer Einwilligung in die Organspende einem oder mehreren Menschen sehr geholfen haben.

Frei von der Leber weg

Ob sie einen Brief verfassen möchte, steht der transplantierten Person frei. «Es besteht überhaupt keine Pflicht», betont Gabi Baumgartner. Es gebe auch keine Vorgabe zu Zeitpunkt und Form, so die Nationale Transplantationskoordinatorin von Swiss­transplant. Die einzige Regel: Es gilt die Anonymität, das schreibt das Transplantationsgesetz vor.

Regionale Trauergruppen

«Die Trauer hört niemals auf, sie wird ein Teil unseres Lebens. Sie verändert sich und wir ändern uns mit ihr», so lautet ein Zitat aus unbekannter Quelle. Der Trauerprozess verläuft sehr unterschiedlich. Oft ist es schwierig, diese Situation allein zu bewältigen. Es kann unterstützend sein, sich in einer geleiteten Gruppe mit anderen Trauernden zu treffen und auszutauschen, um Kraft und Werkzeuge für die eigene Trauer­bewältigung zu erhalten.

Gemeinsam statt einsam
Swisstransplant bietet regionale Trauer­gruppen an für Personen, die vor kurzer Zeit einen lieben Menschen verloren haben, der seine Organe gespendet hat. Die Trauergruppe ist kostenlos und konfessionell neutral. «Wir hören zu, beraten und unterstützen – der Verlust eines nahestehenden Menschen hinterlässt oft eine grosse Lücke», sagt Jeannine Bienz. Sie ist diplomierte Fachperson für Trauerbegleitung und eben­falls diplomierte Fachperson für Familientrauerbegleitung.

Kontakt für eine unverbindliche Auskunft:
cndo@swisstransplant.org, Telefon 041 205 67 00

So ist der Dankesbrief anonym

Damit die Anonymität gewährleistet ist, darf der Brief keine der folgenden Informationen enthalten:

  • Namen von Personen, Spitälern, Orten usw.
     
  • Geburtsdatum
     
  • Angaben, aus denen die ethnische und religiöse Herkunft hervorgeht
     
  • sonstige Details, die eine Identifikation ermöglichen (beispielsweise Zugehörigkeit zu einem Unternehmen oder einem Verein)

Swisstransplant hat Tipps zusammengefasst in der kostenlosen Broschüre «Ein kleiner Brief mit grosser Wirkung».

So kommt ein anonymer Dankesbrief ans Ziel

Der Musterablauf zeigt den häufigeren Fall, in dem sich eine Organempfängerin bei den Angehörigen der Organspenderin oder des Organspenders bedankt. Es kommt ebenfalls vor, dass die Angehörigen einer Organspenderin oder eines Organspenders eine Nachricht an die Organempfängerinnen und Organempfänger senden möchten. Dann erreicht der Brief zuerst das zuständige Organspendenetzwerk. Der gesamte Prozess nimmt ungefähr einen Monat in Anspruch – manchmal führt der Brief auch ins Ausland oder kommt von da.

  • 1. Frau X hat eine Spendeleber erhalten.

    Nach einiger Zeit verspürt sie das Bedürfnis, den Angehörigen der Organspenderin oder des Organspenders ein Zeichen der Dankbarkeit zu geben. Auf direktem Weg kann sie sich nicht bedanken, denn eine Organspende erfolgt laut Gesetz anonym.

  • 2. Frau X schreibt einen Brief,

    in dem sie ihre Dankbarkeit ausdrückt. Sie schildert, wie gut es ihr heute geht, wo sie im Leben steht und wie froh sie ist, dass sie ein Spendeorgan erhalten hat, das ihr ein zweites Leben geschenkt hat. Sie wünscht den Angehörigen viel Kraft. Sie weiss, dass diese einen nahen Menschen verloren haben. Der Brief darf keine Rückschlüsse auf ihre Person zulassen. Deshalb schickt Frau X den Brief ans Transplantationszentrum, indem sie lebertransplantiert wurde – zusammen mit einem separaten Blatt mit den Angaben zu ihrer Person.

  • 3. Das Transplantationszentrum prüft,

    ob der Brief keine Hinweise auf Frau X enthält. Danach sendet es den Brief zur weiteren Abklärung an Swisstransplant.

  • 4. Die Transplantationskoordination von Swisstransplant prüft

    den Brief nochmals eingehend: Sind wirklich keine Rückschlüsse auf Frau X möglich? Falls der Brief noch Namen, Daten, Orte oder ähnliches enthält, werden diese Angaben in Rücksprache mit Frau X geschwärzt. Als nationale Schnittstelle zwischen Transplantations- und Spendeseite kontaktiert Swisstransplant das Organspendenetzwerk, in dem die Organspenderin oder der Organspender verstorben ist.

  • 5. Das Organspendenetzwerk kontaktiert die Angehörigen

    der Organspenderin oder des Organspenders und fragt sie, ob sie den Brief erhalten möchten.

  • 6. Die Angehörigen entscheiden,

    dass sie den Brief gerne annehmen. Falls gewünscht, übersetzt Swisstransplant den Originalbrief, zum Beispiel wenn die Dankesworte in Deutsch sind, die Angehörigen aber im Tessin leben.

  • 7. Die positive Rückmeldung der Angehörigen

    gelangt via Organspendenetzwerk und Swisstransplant ans Transplantationszentrum.

  • 8. Das Transplantationszentrum informiert Frau X,

    dass die Angehörigen bereit sind, den Brief in Empfang zu nehmen.

  • 9. Swisstransplant sendet den Brief ans Organspendenetzwerk.

    Dieses übergibt den Originalbrief den Angehörigen der Organspenderin oder des Organspenders – allenfalls zusammen mit der Übersetzung.

Stéphanie Brousoz, Transplantationskoordinatorin am Universitätsspital Genf (HUG), hat mit ihrem Team untersucht, ob und wie eine Organspende den Trauerprozess für die Angehörigen beeinflusst.

  • 3 Monate nach dem Tod der angehörigen Person ist «Traurigkeit» das vorherrschende Gefühl, unabhängig ob eine Organspende erfolgt ist oder nicht.
     
  • 12 Monate nach dem Tod zeigen sich bei Angehörigen von Organspendenden Emotionen wie «Stolz» und «Dankbarkeit».
     
  • 24 Monate nach dem Tod nimmt die Intensität der Gefühle tendenziell ab. Die Emotion «Zufriedenheit» übersteigt bei Angehörigen von Organspendenden erstmals die Traurigkeit.

Mit Hilfe dieses Schemas legten die Befragten jeweils ihre drei wichtigsten Emotionen in ihrer Intensität fest.