Neue Technologien in der Transplantationsmedizin

Mit Hilfe von technischen Innovationen wie beispielsweise der Maschinenperfusion oder einem «Kunstherzen» können die Erfolge der Transplantation deutlich ausgebaut werden. Das Ziel ist, für mehr Patientinnen und Patienten auf der Warteliste ein Organ zur Verfügung zu stellen. Und die Lebensqualität während der Wartezeit zu verbessern.

Aus diesem Grund arbeiten Forscherteams seit Jahren an Innovationen, die einerseits helfen, den Spendepool zu erhöhen und anderseits, den Zustand der entnommenen Organe zu verbessern. Dafür wurden in den letzten Jahren zahlreiche Ex-vivo-Maschinenperfusionsgeräte für entnommene Organe entwickelt und in Spitälern eingesetzt. Andere Innovationen dienen dazu, den Gesundheitszustand von Patientinnen und Patienten zu stabilisieren oder zu verbessern, um eine Transplantation überhaupt erst möglich zu machen – oder eine Transplantation zu verschieben oder teilweise sogar zu umgehen. Mehr zu dieser Überbrückung, der sogenannten «Bridge to transplant», erfahren Sie in unserem nächsten Magazin.

Maschinenperfusion ermöglicht Beurteilung vor Transplantation
Spendeorgane werden bisher vom Blutkreislauf abgekoppelt und während der Entnahme kalt gespült. Anschliessend hält eine mit Eis gefüllte Transportbox das Organ weiterhin kühl (ca. 4°C). Innerhalb weniger Stunden muss es dann in einem der 6 Schweizer Transplantationszentren eintreffen, um schnellstmöglich transplantiert zu werden. Eine Leber toleriert beispielsweise eine herkömmliche kalte Lagerung bis zu 12 Stunden. Diese Technik der Organkonservierung ist sehr einfach und preiswert. Nachteile sind jedoch die zeitlichen Limits und die fehlende Möglichkeit einer Organoptimierung und -beurteilung während der Lagerung in der Eisbox. Demgegenüber ermöglichen moderne Perfusionstechniken eine Ex-situ-Beurteilung der Organqualität sowie eine Verlängerung der zeitlichen Spanne, bis ein Organ transplantiert werden muss.

Prof. Philipp Dutkowski
«Mit der Ex-vivo-Maschinenperfusion eröffnen sich Menschen, die auf ein Organ warten, neue Möglichkeiten. »

Maschinelle Organperfusion verbessert Organqualität
Der Begriff Perfusion bezeichnet in der Medizin den Durchfluss von Flüssigkeiten durch Organe, Gewebe beziehungsweise Blutgefässe. Bei der Ex-vivo-Maschinenperfusion wird das entnommene Organ an ein Gerät angeschlossen, das entweder mit gekühlten und mit oder ohne Sauerstoff angereicherten Flüssigkeiten das Organ perfundiert oder mit Blut die Durchblutung im menschlichen Körper imitiert. Das Gerät kontrolliert dabei exakt den Fluss und den Druck der Perfusion sowie die Temperatur. So eröffnen sich Menschen, die auf ein Organ warten, neue Möglichkeiten. Die konstante maschinelle Durchspülung mit einer gekühlten und sauerstoffreichen Lösung trägt beispielsweise dazu bei, dass ein Spendeorgan «energetisch» aufgeladen wird. Dabei wird durch die Sauerstoffgabe bei erniedrigter Temperatur (gekühlte Flüssigkeit; «hypotherm») das Aufladen der Energiekraftwerke der Zelle (Mitochondrien) schonend realisiert – mit einer minimierten Freisetzung von Sauerstoffradikalen. Demgegenüber ermöglicht die Perfusion mit Blut bei Köpertemperatur («normotherm») eine deutliche Verlängerung der Zeitspanne der Ex-Situ-Organerhaltung, um ein Spendeorgan besser zu beurteilen und gegebenenfalls auch zu behandeln.

Mehr transplantierbare Organe und höhere Patientensicherheit
Beide Perfusionstechniken, hypotherm und normotherm, können ermöglichen, dass das Organ für die Empfängerin oder den Empfänger in einem besseren Zustand transplantiert werden kann verglichen mit der herkömmlichen kalten Lagerung auf Eis. Die Maschinenperfusion ermöglicht sogar, dass mehr Spendeorgane genutzt werden können. Denn nun können Spendeorgane hinsichtlich ihrer Qualität bereits vor der Transplantation durch Perfusionsgeräte besser beurteilt werden, was den Pool an transplantierbaren Organen und die Patientensicherheit erhöht.

Prof. Philipp Dutkowski
«Auf experimenteller Ebene gibt es erste vielversprechende Untersuchungsergebnisse, die aber eine weitere Erforschung bedürfen. Es zeichnet sich jedoch zusehends ab, dass sich die Organqualität mittels innovativen Konservierungsmethoden weiter verbessern wird.»

Schweizweit gute Erfolge bei Nierentransplantation
In der ganzen Schweiz sind aktuell flächendeckend 12 Geräte für die Maschinenperfusion von Nieren im Einsatz. Erfüllen die entnommenen Nieren bestimmte Kriterien, definiert von einem Swisstransplant-Gremium bestehend unter anderem aus Nieren- und Transplantationsspezialisten, werden sie nach der Entnahme an ein Perfusionsgerät angeschlossen. Es handelt sich dabei um sogenannte ECD-Nieren («ECD», extended criteria donor), und um Nieren, die durch eine Organspende nach Herz-Kreislauf-Stillstand entnommen wurden («DCD», donation after circulatory death). Diese Nieren werden perfundiert und gleichzeitig vom Entnahmezentrum bis zum Transplantationszentrum unter genau regulierten Bedingungen transportiert. Das Verfahren ist jedoch kostenintensiver und logistisch aufwendiger mit grösserem Ressourceneinsatz als die einfache kalte Lagerung. Aus diesen Gründen werden nur Nieren an Perfusionsgeräte angeschlossen, für die die Vorteile der Perfusion in Studien nachgewiesen werden konnten. Dazu gehören beispielsweise Nieren von über 70-jährigen DCD-Spendern oder solchen mit Bluthochdruck, die somit die oben genannten Kriterien erfüllen. Aktuell beträgt der Anteil der perfundierten Nieren in der Schweiz ungefähr ein Drittel.

Neuer Standard, neue Chancen, langer Weg
Die verschiedenen Organe, die transplantiert werden, bedingen spezifische Geräte und Technologien. Für die Transplantation von Lebern oder Herzen wurde die Technologie in der Schweiz noch nicht flächendeckend eingeführt – geplant ist dies für das Jahr 2022. Zurzeit sind noch Fragen offen, wie etwa welche Art der Maschinenperfusion mit welcher Flüssigkeit zu welchem Zeitpunkt die besten Ergebnisse erzielt und ab welchem Zeitpunkt Sauerstoff hinzugefügt werden soll. Aktuell werden weltweit die unterschiedlichen Perfusionstechniken und neue Therapieoptionen der Maschinenperfusion intensiv evaluiert. Es gibt diverse Ansatzpunkte für neue Behandlungsoptionen, unter anderem beispielsweise der Versuch der Ex-situ-Entfettung steatotischer Lebern vor Transplantation. Auf experimenteller Ebene gibt es bereits erste vielversprechende Untersuchungsergebnisse, die aber eine weitere Erforschung bedürfen. Es zeichnet sich aber zusehends ab, dass sich die Organqualität mittels innovativen Konservierungsmethoden weiter verbessern wird. Man kann sich daher in Zukunft eine Zentralisierung in sogenannten Perfusionszentren vorstellen, wo Organe perfundiert, geprüft und therapiert werden, bevor diese dann an die Transplantationszentren transportiert werden.

Autorenteam: R.X. Sousa Da Silva, J. Eden, A. Schlegel, P. Dutkowski

Prof. Dr. med. Philipp Dutkowski

Leitender Arzt, Leiter Abdominale Transplantationschirurgie,
Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsspital Zürich
Präsident STAL (Schweizer Arbeitsgruppe Lebertransplantation)

Stehen dank der Perfusionsmaschinen mehr Organe zur Verfügung, die transplantiert werden können? Durch die Überprüfung des Organs während der Perfusion kann eine erste Aussage über dessen Funktion erfolgen. Da vermehrt geschädigte Organe zur Verfügung stehen, können diese bei guter Funktion dennoch transplantiert werden, ohne die Patientensicherheit des Empfängers zu gefährden. In der Schweiz können somit jährlich ca. 30 Lebern transplantiert werden, die ohne Perfusionsmaschinen verworfen worden wären.

Kommt es zu weniger Abstossungen nach Transplantationen?
Es gibt mittlerweile viele Studien, die die Überlegenheit der Maschinenperfusion gegenüber der Lagerung auf Eis beweisen. Insbesondere wird eine verringerte Abstossungsreaktion beobachtet. Dies zeigt sich bei Lebertransplantationen insbesondere in einer geringeren Rate an Gallengangsveränderungen mittel- bis langfristig, so dass der Interventionsbedarf deutlich sinkt. Im Bereich der Nierentransplantation konnte in mehreren Tiermodellen detailliert gezeigt werden, dass durch hypotherme Maschinenperfusion alle auf zellulärer Ebene involvierten Mechanismen, ursächlich für den Reperfusionsschaden und die Abstossungsreaktion, reduziert werden können.

Prof. Philipp Dutkowski

Welche Herausforderungen gilt es zu überwinden?
Die Maschinenperfusion ist ein rasch wachsendes Gebiet mit vielen unterschiedlichen Playern und Interessen. Es besteht daher die Gefahr, dass neue Erkenntnisse lange benötigen, bis sie in den klinischen Alltag umgesetzt werden. Die Therapiemöglichkeiten aber auch die Komplexität der Maschinenperfusionen nehmen stetig zu und benötigen beachtliche Ressourcen in deren Erforschung. Es ist daher erstrebenswert nationale oder sogar internationale Perfusionszentren zu schaffen, die das Know-how bündeln und zur Schulung von Transplantationschirurgen und medizinischem Personal dienen können.

Werden in 5 bis 10 Jahren alle Organe, die transplantiert werden, vorher an Perfusionsgeräte angeschlossen?
Der Nutzen der Maschinenperfusion ist einerseits die Beurteilung kritischer Organe und anderseits diese zu behandeln vor einer Transplantation. Bei Organen, die per se sowohl gemäss Kriterien als auch gemäss dem Entnahmevorgang einwandfrei sind, bedarf es keiner Maschinenperfusion. Solche Organe werden weiterhin ohne Maschinenperfusion direkt transplantiert. Man darf nicht ausser Acht lassen, dass Maschinenperfusion mit Kosten und personellem Aufwand verbunden ist. Diese Ressourcen sollten weiterhin bestmöglich genutzt werden.

Welche Wünsche haben Sie persönlich bezüglich der Organspende und Transplantation?
Wünschenswert wäre es, eine höhere Organspendebereitschaft zu etablieren, sowie neue Messmethoden zu validieren, die es erlauben, kritische Organe vor der Transplantation reproduzierbar und sicher beurteilen zu können. Die Zukunft sieht vielversprechend aus, mit sowohl nationalen und internationalen Anstrengungen die Maschinenperfusion zu verbessern und zu etablieren.

 

 

P. Dutkowski, MD, hat seine chirurgische Laufbahn an der Universitätsklinik in Mainz, Deutschland, im Jahr 1993 begonnen. Nach einem Auslandsaufenthalt in Wisconsin, US, im renommierten Labor von Folkert Belzer im Jahr 1995, entwickelte er die Idee einer endischämischen hypothermen oxygenierten Leberperfusion (HOPE), mit der er im Jahr 2001 habilitierte. Nach dem Wechsel an die Universitätsklinik Zürich wurde das HOPE-Verfahren schrittweise zur klinische Anwendung gebracht. Eine Europäische multizentrische randomisierte Studie zur Anwendung von HOPE bei Lebertransplantation ist in diesem Jahr abgeschlossen und wird in Kürze publiziert.